Ein „glücklicher Zufall" hat Prem Kumar Chandraseakaren von Indien ins nördliche Emsland geführt.
Initiative gegen Fachkräftemangel

Wie ein Software-Profi von Indien ins Emsland kam

Mit Prem Kumar Chandraseakaren hat ein Software-Ingenieur aus Indien trotz bürokratischer Hürden den Sprung ins Emsland geschafft. Wie ist das gelungen? Und wie kann das Beispiel des 31-Jährigen vielleicht sogar Schule gegen den Fachkräftemangel im Emsland machen?

Zwischen Papenburg und Salzbergen fehlt es seit Jahren an qualifizierten Arbeitskräften, nicht nur in der IT-Branche. Das Emsland gilt sogar als das Sorgenkind der Republik. Nach einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft ist der Fachkräftemangel in keiner anderen Region größer. Sebastian Böhle, Geschäftsführer des Start-up-Unternehmens Ensobit in Rhede, ist diese Sorge erst einmal los. Er war auf der Suche nach einem Softwareentwickler, konnte zunächst aber niemanden finden. „Durch einen glücklichen Zufall“, wie Böhle sagt, verstärkt seit Kurzem Prem Kumar Chandraseakaren den 2020 gegründeten Betrieb. 

Und das kam so: In Lathen lebt und arbeitet seit etwa fünf Jahren Nancy Susaimani als Altenpflegerin im Haus St. Marien. Susaimani ist die Nichte des früheren Lathener Pfarrers Francis Sanjeevi. 2021 heiratete Susaimani in Indien Chandraseakaren. Seine gemeinsame Zukunft sah das Paar aber in Deutschland. Die Arbeitsplatzsuche sollte wegen der beruflichen Qualifikation des Software-Ingenieurs kein Problem sein.

Schließlich gibt es seit 2020 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Es fördert die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten nach Deutschland. Zentral verantwortlich für die Bewertung der Zulässigkeit zur Arbeitsaufnahme in Deutschland sei die Agentur für Arbeit in Essen (Ruhr), erklärt Karl-Heinz Weber. Der ehemalige Bürgermeister der Samtgemeinde Lathen hat die Einwanderung von Chandraseakaren aktiv begleitet.

Bürokratisch aufwändig, aber konstruktiv und zielführend

„Es ist ein zwar sehr aufwändiges bürokratisches Verfahren, aber dennoch hat sich die Zusammenarbeit als sehr konstruktiv und zielführend herausgestellt“, sagt Weber. Und doch sei es aus verschiedenen Gründen zu monatelangen Wartezeiten gekommen, die die durch das Einwanderungsgesetz in Aussicht gestellten Beschleunigung gewissermaßen konterkarierten. Weber appelliert deshalb an die Bundesregierung, die deutschen Auslandsvertretungen personell so auszustatten, „um unbürokratisch auch weiterhin Fachkräfte anwerben zu können“. 

Das wäre auch im Sinne des Wirtschaftsverbandes Emsland, wie dessen Geschäftsführerin Mechtild Weßling deutlich macht. Der Verband sehe ein großes Problem auf die Unternehmen im Emsland zukommen. Nach Weßlings Worten herrsche in nahezu allen Branchen ein erheblicher Fachkräftemangel. „Der kann nur durch gezielten qualifizierten Zugang aus dem Ausland, auch dem nichteuropäischen, befriedigt werden." Die Geschäftsführerin verweist in diesem Zusammenhang auf Auszubildende aus Paraguay, die der Verband habe ins Emsland holen können. Und in der Lingener Bonifatius-Hospitalgesellschaft würden aktuell Krankenpflegeschülerinnen aus Vietnam ausgebildet.

Weßling zufolge werden überdies demnächst weitere Arbeitskräfte aus dem südostasiatischen Land in Mitgliedsbetrieben des Verbandes ihre Beschäftigung aufnehmen. Aber auch der Zusammenarbeit mit allen anderen Ländern stehe man offen gegenüber, denn: „In Deutschland wird ein jährliches Fachkräftedefizit von über 250.000 Frauen und Männern konstatiert.“ Auf das Emsland heruntergebrochen bedeute das rund 1000 Fachkräfte pro Jahr. Eine davon ist Prem Kumar Chandraseakaren. Er stammt aus dem südindischen Bundesstaat Tamil Nadu. In Chennai am Golf von Bengalen schloss er sein Studium als „Bachelor of Engineering“ ab und erarbeitete sich weitere Zusatzqualifikationen.

In seiner neuen Heimat sei er hervorragend aufgenommen worden, sagt Chandraseakaren und schwärmt von der Hilfsbereitschaft seiner Mitmenschen. Zu seinen ersten Worten auf Deutsch gehören „Danke“ und „Hallo“. Mit seinem Chef kommuniziert er vorerst auf Englisch.

Von einem gelungenen Beispiel gelebter Praxis von Willkommenskultur spricht in diesem Zusammenhang der Bürgermeister der Gemeinde Rhede, Jens Willerding (CDU). Er lenkt den Blick auf das vom Landwirtschaftsministerium geförderte Modellprojekt „Ländlicher Veränderungsprozess“. Teil dessen sei es gewesen, dem Fachkräftemangel aktiv durch Willkommenskultur und Integration in eine lebenswerte Region zu präsentieren. Alle Beteiligten zeigen sich darin einig, dass Prem Kumar Chandraseakaren als Multiplikator für die weitere Akquise von Fachkräften dienen könne.

Gerd Schade, Ems-Zeitung

Ensobit ist überwiegend für KMU tätig und entwickelt individuelle Software-Lösungen im Bereich der Digitalen Transformation und Automatisierung. Die im Kundenauftrag durchgeführten Projekte erstrecken sich von der Entwicklung von Apps für mobile Endgeräte bis hin zu Robotik-Projekten. Dabei setzt ensobit verstärkt auf neue Technologien wie Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen.