Frischer kann man Bier nicht trinken als in der Brauerei selbst: In Lünne gibt es nicht nur ein Brauhaus mit Biergarten und Grillbuffet, hier kann man auch Seminare belegen oder einen Bierathlon machen. Wir blicken auf 25 Jahre Brau- und Familiengeschichte.
Der Erfolg der Emsland-Brauerei Borchert

Ein Vierteljahrhundert frisches Bier aus Lünne

Es ist ein Geheimtipp unter den Bieren: jenes aus der Landhaus-Brauerei Borchert in Lünne im Emsland. 25 Jahre alt wird diese nun - und wäre fast in der Insolvenz gescheitert. Stolz blicken Ewald Borchert und Tochter Frederike Köhl darauf, wie die Familie es dennoch geschafft hat.

Was Ewald Borchert 1997 aufgebaut hat, wird mittlerweile von seiner Tochter Friederike Köhl in die Zukunft geführt: die Landhaus-Brauerei Borchert in Lünne. Zum ersten Mal selbst Bier gebraut hatte Ewald Borchert (65) bereits in den frühen Achtzigern in der heimischen Garage. „Wenn ich Bier gebraut habe, hatte ich die Bude immer voll“, sagt Borchert. „Ich komme aus der Fleischbranche und habe damals in Oldenburg gearbeitet,“ erinnert er sich.  Die dortige Gasthausbrauerei „Hengel“ hatte ihr eigenes Hausbier und Borchert sprach öfters mit den Brauern. „Das schmeckt komplett anders, als das Bier aus der Industrie.“ Irgendwann kam die Idee, sich selbstständig zu machen. Seiner Frau hat er seine Pläne beim Urlaub auf Wangerooge offenbart. „Wir gingen am Wasser entlang und da habe ich ihr gesagt, dass ich mich selbstständig mache wolle.“ Aber statt diesen Schritt kategorisch abzulehnen, hat seine Frau auch den Vorteil gesehen, ihren Mann wieder näher bei sich und den Kindern zu haben. Nach der Entscheidung gab es für ihn kein Zurück mehr. „Dann habe ich meinem damaligen Chef Clemens Tönnies gesagt, dass ich aufhöre und eine kleine Brauerei baue.“

Bier aus dem Pferdestall

Das Medieninteresse hat Borchert anfangs regelrecht überrascht. „Im Emsland liest jeder die Zeitung und auf einmal stand da, dass es im Emsland jetzt eine kleine Brauerei gibt.“ Aber der Anfang war schwer, und Borchert konnte sich nur sukzessive etablieren. Geholfen hat dabei anfangs der alte Polizei-Wasserwerfer, mit dem er stets vorgefahren kam. „Dieses Auto hatte ich bei einer Brauerei in Schleswig gesehen“, sagt Borchert. „Der Braumeister wollte das Auto loswerden und hat uns gezeigt, wie das alles funktioniert.“ Noch heute wird die Familie auf den alten Wasserwerfer, das Tatü, wie die Familie den Wagen liebevoll nennt, angesprochen. Dabei ist der Wagen vor über 14 Jahren eingemottet worden. Beim Bau der Brauerei konnte Borchert auf sein technisches Geschick zurückgreifen „Meine erste Ausbildung habe ich bei der Firma Krone als Werkzeugmacher absolviert“, sagt Borchert. An dem Gesamtobjekt „Brauerei“, schätzt Borchert, steckt mindestens ein Viertel Eigenarbeit. Auch bei der aktuellen Erweiterung der Tankanlage hat Borchert vieles in Eigenarbeit erledigt.

Gebaut hat Borchert die Brauerei auf dem Hof von Borcherts Schwiegereltern, auf dem er damals schon mit seiner Familie wohnte. Sein Schwiegervater war Viehhändler und die heutige Brauerei befindet sich im Wirtschaftsgebäude des Hofes. „Wo heute Küche und Toilettenbereich sind, da standen früher Pferdeställe“, erklärt Borchert. „Ich als 9-Jährige fand es ziemlich blöd, dass auf einmal die Pferde weg waren“, erinnert sich Friederike Köhl, heute Geschäftsführerin und Brauerin der Landhaus-Brauerei. „Wir hatten immer ein oder zwei Pferde und für mich als kleiner Dötz war das ein Idyll.“

Insolvenz und Corona

An eine eigene Gastronomie hatte die Familie anfangs noch gar nicht gedacht. Aber es stellte sich sehr schnell heraus, dass es ohne nicht aufging. Das Invest war nicht wenig und es lief nicht so, wie Borchert sich das vorgestellte. „Der ganze Betrieb wurde gegründet, als meine Schwester Lea unterwegs war“, erzählt Friederike Köhl. „Unsere Mutter ist dann nicht wieder direkt in ihren alten Beruf zurückgegangen, sondern hat sich um die Organisation der Gastro gekümmert.“ So war die Brauerei mit angeschlossener Gastronomie auf einmal die finanzielle Grundlage der sechsköpfigen Familie. Es musste irgendwie laufen, denn die Brauerei war alles, was man an Einkommen hatte.

Damals wie heute ist es schwer als kleine Brauerei mit dem Bier in die bestehende Gastronomie reinzukommen und so hatte die Familie noch weitere Objekte dazu genommen. 2007 sollte das Hotel Telsemeyer in Mettingen folgen. „Aber egal, wie viel man gearbeitet hat, man kam irgendwie nicht aus dieser Spirale der Zinslast heraus“, beschreibt Köhl. „Telsemeyer hat vieles verändert“, sagt Borchert. Ein guter Bekannter wollte mit als Investor einsteigen, wollte aber vorher meine Zahlen sehen." Die Zahlen landeten dann bei dessen Steuerberater und dieser riet allen Parteien von dem Objekt ab. „Wir sind dann aus dem Projekt ausgestiegen“, sagt Borchert. Aber das half nicht mehr: Die Bank wollte nicht mehr und so wurde 2008 die Insolvenz eingeleitet.

Das sind alles wir

„Uns ist dabei allerdings zugutegekommen, dass die ganze Brauerei hier nur auf mich zugeschnitten war,“ sagt Borchert. Es fand sich auch kein Brauer der übernehmen wollte. „Der Insolvenzverwalter merkte bald, dass nichts zu holen war, denn wir wollten den Hof hier nicht verkaufen.“ So lief der heimische Betreib weiter, derweil die Gastronomien an der Hüvener Mühle und in Löningen weg waren. „Unser Kundenstamm ist da gar nicht hinter gekommen,“ sagt Borchert, „denn das Bier kam immer pünktlich.“ Nach vier Monaten hat sich der Insolvenzverwalter dann ausgeklinkt – Borchert hat weitergemacht. Es fand sich sogar eine neue Bank, die die Familie unterstützen. „Die sind ganz anders an die Sache rangegangen“, sagt Köhl. „Natürlich wollten die auch an uns verdienen, aber zumindest war ihnen wichtig, dass das Unternehmen gesund ist, damit sie über einen langen Zeitraum etwas an uns haben.“ So konnte die Familie Luft holen, wieder vernünftig arbeiten und das Unternehmen wurde recht schnell wieder gesund.

„Ich habe immer an diese Geschichte geglaubt“, sagt Borchert selbstbewusst. Irgendwann stand man wieder auf soliden Beinen und Borchert konnte sogar wieder neu investieren konnte. „Hier ist kein fremder Investor“, sagt der Brauer stolz, „das sind alles wir!“ Aber die Insolvenz war für die Familie eine harte Prüfung. „Diese Verletzungen kamen auf allen Ebenen, die sitzen immer noch ganz tief“, sagt Köhl. Zwar ist sie nach dem Abitur 2007 erst mal weg von zuhause, doch hat sie alles eng verfolgt und jeden Morgen mit ihrem Vater telefoniert.

„Hier vor Ort, wo wir als Familie leben mussten, wussten es alle“, so Köhl, „Insolvenz wird immer mit Versagen gleichgesetzt.“ Mittlerweile schaut Köhl voller Stolz auf das Erreichte: „So einem tiefen Sumpf hinter sich zu lassen und es wieder aufzubauen, das ist eine andere Nummer.“ Neben ihr will auch ihre jüngste Schwester, die aktuell noch ihren Master macht, zuhause einsteigen.

„Aber es war zumindest beruhigend, dass zu der Zeit der Absatz des Bieres recht gut lief“, sagt Borchert. „Man wusste also, wir kommen da durchs Loch.“ Der Bierabsatz steigerte sich sogar. Besonders dankbar sind Köhl und Borchert, dass ihre Kunden ihnen während der ganzen Zeit so die Treue gehalten haben. „Die Leute sind bereit mehr Geld für regionale Biere auszugeben als nur das normale Produkt.“  Während Köhls Elternzeit hat ihre jüngere Schwester Lea die Brauerei tatkräftig unterstützt. „Wir haben immer alles besprochen, aber sie hat maßgeblich dazu beigetragen und die Dinge mit auf den Weg gebracht.“ Da die Gastronomie komplett brachlag, lag der Fokus auf Produktion und Weiterentwicklung: Die Einführung der 0,5-Liter Euroflasche im Frühjahr 2020, eigene Kronkorken, eine neue Abfüllung. Aktuell wurden die Lagertanks erweitert und das 0,33-Gebinde für die Gastronomie wird getestet.

„Ich würde es immer wieder noch mal machen“, sagt Borchert, der bereits vergangenes Jahr im September hätte in Rente gehen können. „Aber damals hatte ich noch keine Zeit.“ Aber jetzt hat er seinen Antrag gestellt. „Was diesen Betrieb auszeichnet ist, dass es durch und durch ein Familienbetrieb ist“, gibt sich Borchert stolz. „Die Familie hat im Grunde genommen dem Unternehmen den Arsch gerettet.“ Er selbst will nun bald in Rente gehen. Doch dass die Familie auch zukünftig für frisches Bier aus Lünne steht, unterstreicht Köhl: „Meine Tochter schreibt bei ihren Freundinnen in der Sparte ‚Was willst du mal werden‘ immer ‚Brauerin‘ rein - läuft also.“