Pro Kopf werden in Deutschland 14,4 Kilo Fisch im Jahr gegessen. Um das abzudecken werden mehr Fische gefangen als der Natur guttut. Ein Unternehmen im nördlichen Emsland will das ändern und zieht Zander nachhaltig in Aquakultur auf – mit viel Pionierarbeit.
Kaiserzander simuliert Natur für die Fischzucht

Pionierarbeit für Nachhaltigkeit

Etwa 80 Millionen Tonnen Fisch werden jedes Jahr aus den Meeren gefangen. „Inzwischen fangen wir 63 Prozent der Hochsee leer und damit mehr als die Natur produzieren kann“, weiß Fischwirtschaftsmeister Mark Saalmann, Betriebsleiter der Firma „Kaiserzander“ in Niederlangen.

Laut WWF-Fischratgeber sind unter anderem Zander in der Ostsee so stark befischt, dass immer weniger in den Netzen landen. Das ist ein deutliches Zeichen der Überfischung. Und genau deshalb empfiehlt die Umweltschutzorganisation Zander ausschließlich aus Aquakultur oder heimischen Binnengewässern.

Als Aquakultur bezeichnet man die Aufzucht von Wasserorganismen, wie zum Beispiel Fische. Sie gilt als der am schnellsten wachsende Sektor der Lebensmittelproduktion weltweit. In Deutschland ist der Bereich allerdings eher eine Nische, „und das, obwohl Fisch ein nachhaltiges Produkt ist“, betont Saalmann. Zum Vergleich: Ein Fisch verbrauche 29 Mal weniger Wasser als eine Kuh, produziere weniger Schadstoffe und CO2. Auch der Medikamenteneinsatz gehe dank neuer Impfstoffe inzwischen gegen Null.

Noch eine Nische

Auch die Fischzucht selbst in geschlossenen Kreislaufanlagen hat keine Auswirkungen auf die Umwelt. Zwei solcher Anlagen betreibt die Firma „Kaiserzander“, eine davon in Niederlangen. Hier finden alle Prozesse der Aufzucht statt: vom Elterntierbestand über Eier und Larvenaufzucht bis hin zum fertigen Jungfisch. Am Zweitstandort in Porta Westfalica werden die Jungtiere dann weiter aufgezogen und so die Produktionskette bis zum Speisefisch geschlossen.

Das Wasser wird dort permanent mit biologischen Filtern in einer eigenen Kläranlage aufbereitet und sauerstoffangereichert wieder in den Kreislauf gebracht. So können einerseits dauerhaft optimale Wasserverhältnisse für die Fische geschaffen werden. Gleichzeitig wird auch die Ressource Wasser dabei geschont und die Nährstoffe aus dem Wasser gefiltert, sodass keine Auswirkungen auf die Umwelt entstehen.

Alte Fischfarm übernommen

Bei „Kaiserzander“ ist Saalmann seit sieben Jahren Betriebsleiter. Der Fischwirtschaftsmeister, der seinerzeit als einer von drei Lehrlingen die Ausbildung absolvierte, hat europaweit schon in verschiedenen Fischaufzuchten mit unterschiedlichen Fischarten gearbeitet. Der Zander gehörte bis dahin allerdings noch nicht dazu.

In Niederlangen versuchte sich dagegen schon ein vorheriger Fischzuchtbetrieb an dem großen Süßwasserfisch, scheiterte allerdings, weil die Anlagentechnik nicht funktionierte und auch nicht reparabel war, wie Saalmann berichtet. Nachdem „Kaiserzander“ die Betriebsstätte übernommen hatte, wurde die Technik ein Jahr lang getestet, bevor man sich für einen kompletten Austausch entschied.

Fünf Jahre lang geforscht

Fünf weitere Jahre flossen anschließend in die Forschung: Was braucht der Fisch, um sich wohl zu fühlen? Denn Zander reagieren auf Licht, Wasserqualität, Geräusche und Temperatur sowie Populationsdichte in den Becken äußerst sensibel. In Niederlangen war also viel Pionierarbeit gefragt.

Gemeinsam mit verschiedenen Universitäten wurden neue Verfahren entwickelt, die dann in der Produktion getestet und optimiert wurden. Aufgrund der vielen individuellen Prozesse ist das Team am Aufzuchtstandort in Niederlangen inzwischen auf fünf geschulte Fachleute gewachsen.

Und so funktioniert Aquakultur

Die Elterntiere werden in vier Klimakammern gehalten, wo die verschiedenen Jahreszeiten simuliert werden. So kann der Zander das ganze Jahr über gezüchtet werden. Tageslichtlänge, Sonnenauf- und -untergang, Wassertemperatur und Lichtintensität – alles wird in den einzelnen Kammern genaustens gesteuert. „Wir haben sehr lange und viel an einem Klimaprotokoll gearbeitet, das die natürlichen Bedingungen am besten abbildet und sind auch noch nicht am Ende“, betont Saalmann.

Immer wieder entnimmt das Team Eiproben, untersucht sie unter dem Mikroskop, beobachtet die Struktur des Eis und die Veränderung des Zellkerns, um so Rückschlüsse zu ziehen, ob und wie gut die Elterntiere auf das simulierte Klima reagieren. „Dadurch können wir die Fische ein bisschen lenken, damit sie am Ende das für uns perfekte Ei produzieren“, sagt der 31-Jährige. Zum richtigen Zeitpunkt wird dann die Laichzeit eingeleitet, die in der Natur normalerweise im Mai ist. Die Eier werden dann aus dem Fisch heraus gestriffen, Samen hinzugegeben und die befruchteten Eier in Erbrütungsgläsern gehalten. Weil jedes Elterntier gechipt und in den eigenen Laichfischdatenbanken registriert ist, kann so zum einen Inzucht vermieden und gleichzeitig Fische aus „guten Gruppen“ gezielt zusammengebracht werden, erklärt Saalmann.

Gerade einmal zehn Tage brauche der Zander dann, bis er schlüpft. Ab diesem Zeitpunkt wird er in den Larvenkreislauf überführt. Die Anlage ist Saalmann zufolge ein Unikat und genaustens auf die Bedürfnisse der sensiblen Fischlarven abgestimmt. Hier können sich die Larven, die dann etwa fünf Millimeter groß und 0,5 Milligramm schwer sind, entwickeln, ihre Augen, Flossen, Mäuler und Kiemen ausbilden, bis sie schlussendlich ein vollständig entwickelter kleiner Fisch sind.

Als Starternährung erhalten die Fischlarven kleine Salinenkrebse. Diese werden ebenfalls im Unternehmen und je nach Bedarf erbrütet. „Wir bringen die Larven durch die ganzen schwierigen Phasen, durch die sie in der Natur nur durch Zufall oder mit großer Anstrengung kommen würden.“ Wenn die kleinen Fische groß genug sind, werden sie einen Raum weiter in die Jungfischanlage gebracht und dort mit Pellets in größeren Becken weiter gefüttert. Auf Fischmehl und Fischöl im Futter kann hierbei noch nicht ganz verzichtet werden. „Der Zander ist ein Raubfisch und will, dass sein Futter nach Fisch schmeckt“, sagt Saalmann. „Aber wir versuchen, durch Krill und Algenzusätze mehr Geschmack an das Futter zu bekommen, um ihm dann auch mehr und mehr vegetarische Bestandteile unterzujubeln. Das funktioniert auch ganz gut.“

Jede Woche werden die Jungfische über eine spezielle Anlage sortiert und mit gleichgroßen Artgenossen in ein Becken zusammengebracht. Täte man das nicht, sänke die Überlebensrate für die Zander, weil die Fischart sehr kannibalisch sei. Sobald die Fische eine Größe von rund 15 Zentimeter erreicht haben, werden sie europaweit vermarktet oder reisen in die Aufzucht-Station am Stammsitz des Unternehmens nach Porta Westfalica. Ein Teil der Fische wird aber auch an Fischereivereine für Renaturierungsprojekte, wie die des Fischereivereins Lathen, gegeben.

Etwa 500.000 junge Fische produziert „Kaiserzander“ jährlich. „Unser Ziel ist es, die Natur dahingehend zu optimieren, dass wir umso mehr durchbekommen“, betont Saalmann. Aktuell liege die Überlebensrate in der Aquakultur etwa bei zehn Prozent. Zum Vergleich: In der Natur überlebt von den 500.000 Eiern, die ein Zander legt, nur etwa 0,001 Prozent.