„Sture Emsländer haben wir bislang noch nicht entdeckt“, lacht Hans-Martin Gall. Er zog mit seiner Familie vom Schwarzwald ins Emsland.
Vom Nordschwarzwald nach Lingen im Emsland

Von den Skiern aufs Rad

Berufliche Gründe sind es, die Hans-Martin Gall und seine Familie von Süddeutschland 2016 nach Lingen geführt haben. Was finden die Galls an Lingen gut? Was stört sie? Im Gespräch äußern sich Gall, seine Ehefrau Birgit und die Söhne Jan-Philipp (19), Jonathan (16) und Benjamin (13) hierzu.

Hier kann ich einfach mal das Fahrrad laufen lassen“, sagt Jonathan. In seiner Heimat, die Familie stammt aus dem knapp 2.500 Einwohner zählenden Ort Ostelsheim im Landkreis Calw am Rande des Nordschwarzwaldes, war dies deutlich schwieriger. Eines vermisst der 16-Jährige trotzdem: „Ich mochte die Berge. Skifahren geht jetzt nur noch in den Ferien.“ Auch Birgit Gall ist begeisterte Radfahrerin. „Es ist toll, was man in Lingen alles mit dem Fahrrad machen kann“, freut sie sich. Auch Hans-Martin Gall gefällt es, dass es fast alles in der Stadt Lingen gibt und man trotzdem schnell in der Natur ist.

Begeistert von der grünen Umgebung und den Freizeitangeboten im Emsland

Vor ihrem Umzug im Juli 2016 nach Lingen hat Familie Gall drei Jahre lang in Heidenheim gewohnt. Die mit knapp 50.000 Einwohnern fast ebenso große Stadt wie Lingen liegt auf halber Strecke zwischen Stuttgart und Ingolstadt. „Der Umzug aus einem ‚kleinen Kaff‘ in eine Stadt wie Heidenheim war ungewohnt. Der Umzug von dort nach Lingen kein Problem“, sagt Jan-Philipp. Der 19-Jährige findet Lingen gut: „Es ist grün, es gibt den Kanal und die Ems. Umwelttechnisch ist es sehr schön hier.“ Und es gebe sehr viele Möglichkeiten, etwas in der Freizeit zu unternehmen, betont Jan-Philipp.

Auch beruflich gute Perspektiven, nicht nur für den Nachwuchs

Für den Schüler, der sich derzeit an den Berufsbildenden Schulen Lingen Technik und Gestaltung auf sein Abitur vorbereitet, hat das Emsland auch ganz neue berufliche Perspektiven eröffnet. „Nach einer Besichtigung habe ich mich bei der Meyer Werft für ein duales Studium beworben und kann im August dort anfangen“ sagt Jan Philipp. Früher habe er immer „zum Daimler“ gewollt, fügt Mutter Birgit Gall hinzu: „Ohne den Umzug wäre mein Sohn nie auf die Idee mit der Meyer Werft gekommen.“

Doch was antwortet Hans-Martin Gall, der seit Mai 2016 Geschäftsführer der Stadtwerke Lingen ist, auf die Frage, was ihn an Lingen reizt? „Mich reizt die Stadt aus energiewirtschaftlicher Sicht. Sie ist für die Zukunft gut gerüstet, und es macht Spaß, an ihrer Entwicklung mitzuwirken.“ Eine professionelle Antwort, die er auch in seinem Büro hätte geben können. Aber im Wohnzimmer der Familie Gall? „Der Beruf ist halt sein Hobby, und einen Ausgleich findet mein Mann bei der körperlichen Betätigung im Garten“, sagt Birgit Gall. Eines hat ihr Mann erkannt: „Die Entscheidung für einen solchen Wechsel funktioniert nur, wenn die Familie mitzieht.“ Gall meint damit nicht nur den Umzug im wörtlichen Sinne. „Alle müssen dahinterstehen und haben dies auch“, versichert er mit seiner Familie auf dem Sofa im Wohnzimmer sitzend.

„Das Speicherbecken Geeste ist so etwas wie Urlaub“

In Lingen nutzen Hans-Martin, Birgit und Jonathan Gall ein Freizeitangebot, das es so in ihrer Heimat nicht gibt: Sie machen ihren Segelschein. „Das Speicherbecken Geeste ist so etwas wie Urlaub“, schwärmt Birgit Gall. Und das jüngste Familienmitglied, Sohn Benjamin, hat über einen Klassenkameraden Anschluss an die Tischtennisabteilung des Sportvereins Olympia Laxten gefunden. „Zweimal die Woche trainiere ich dort und fühle mich wohl“, sagt der 13-Jährige.

Gemeinschaft gehört im Emsland zum Leben

Von den „sturen Emsländern“ hatte Familie Gall vor ihrem Umzug gehört, sie aber bislang noch nicht entdeckt. „Die gibt es nicht“, sagt der 50-jährige Hans-Martin Gall. Und Ehefrau Birgit bestätigt, eine solche Erfahrung nicht gemacht zu haben – im Gegenteil: „Wir haben eine super Nachbarschaft. Es gibt An- und Abgrillen und einen regelmäßigen Frauenstammtisch. Die Nachbarschaft versucht alles, um Zugezogene zu integrieren.“ Es gebe überall nette Leute. Man müsse einfach nur offen sein, meint Birgit Gall.

Doch wo Licht ist, gibt es bekanntlich auch Schatten. Für Birgit Gall sogar im wahrsten Sinne des Wortes: Es ist an der Sprache von Hans-Martin Gall und seiner Frau deutlich zu hören, dass sie aus Süddeutschland stammen. „Da fiel auch schon einmal das Wort ‚Migration‘“, bedauert Birgit Gall, dass ihr Dialekt sie im Emsland fremd wirken lässt. Ein anderer Unterschied bringt sie im Blick auf Klischees aber dann doch wieder zum lachen: „Man sagt den Schwaben mit ihrer ‚Kehrwoche‘ ja eine gewisse gründliche Sauberkeit voraus. Ich glaube, das trifft eher auf die Niedersachsen zu.“